Urlaub mit Kurzdarmsyndrom

Bei Gesprächen mit „Leidensgenossen“ höre ich immer mal wieder, dass diese seit ihrer Erkrankung nicht mehr in den Urlaub gefahren sind und das sehr vermissen. Mit etwas Vorbereitung und logistischem Aufwand ist ein Urlaub mit Kurzdarmsyndrom aber doch möglich.

Die Buch von Locquémeau, Bretagne
Die Bucht von Locquémeau, Bretagne

Voraussetzungen

Die folgende Liste ist eine grobe Übersicht, was Voraussetzung ist, um mit Kurzdarmsyndrom in den Urlaub fahren zu können. Im Anschluss an diese Liste werde ich die einzelnen Punkte näher erläutern und diskutieren:

  • Man ist Selbstversorger, benötigt also keine externe HomeCare Unterstützung also Pflegedienst.
  • Ungekühlte Infusionsbeutel (man will ja nicht mit Kühlschrank verreisen).
  • Man hat einen Versorger (z.B. Apotheke), der auch bis zum Urlaubsort Medikamente und Hilfsmittel nachliefert oder
  • man hat ausreichend Platz im Auto und eine gute Logistik, um alle Infusionen, Medikamente und Hilfsmittel mitnehmen zu können.

Selbstversorger

Wenn man bei der eigenen Versorgung noch auf einen Pflegedienst (HomeCare) angewiesen ist, so hat man im Urlaub ein Problem. Kaum jemand wird so viel Geld haben, dass er seinen Pflegedienst „mit in den Urlaub nehmen“ kann. Es dürfte ebenfalls schwierig sein, sich einen Pflegedienst im Urlaubsort vorab zu organisieren. Spätestens im Ausland kommen dann noch Sprachbarrieren hinzu. Also lohnt es sich allein aus Urlaubsgründen, sich selber zu versorgen. … und im Urlaub sich mit dem Pflegedienst zu koordinieren dürfte recht viel der wertvollen Urlaubszeit in Anspruch nehmen.

Ungekühlte Infusionsbeutel

Eine weitere Voraussetzung für einen Urlaub mit Kurzdarmsyndrom ist, dass man ungekühlte Infusionsbeutel verwendet. Man stelle sich nur vor, dass man alle Infusionsbeutel kühlen muss, wenn man unterwegs ist. Dazu müsste man ja irgendwelche Kühlmöglichkeiten dabei haben. Bei kleinen Mengen und dem Auto als Fortbewegungsmittel oder gar einem Wohnmobil, könnte das noch klappen. Aber im Zug oder im Flugzeug? Schwierig bis nicht möglich.

Einschränkend könnte man argumentieren, dass einen ja der Versorger per Kurier mit den Beuteln versorgen kann. Das ist tatsächlich eine Alternative. Allerdings ist zu bedenken: Man muss dann am Zustelltag so lange im Ferienhaus oder der Ferienwohnung warten bis der Kurier die Infusionsbeutel liefert. Falls man im Hotel wohnt, kann der Hotelbetreiber die Lieferung sicherlich auch entgegen nehmen. Und da wären wir auch schon bei der nächsten Voraussetzung:

Lieferung vom Versorger

Wenn man einen Versorger, z.B. eine Apotheke hat, die einem die benötigten Medikamente, Infusionsbeutel und Hilfsmittel zusendet, kann man mit denen sicherlich auch vereinbaren, dass die einem die Sachen an den Urlaubsort liefern. Das hängt im Einzelfall sicherlich vom Urlaubsort ab (Lieferungen ins Nicht-Europäische Ausland könnten allein durch Zollformalitäten schwierig werden) und vom Kurierservice. Wie schon vorher erwähnt, muss man dann „nur“ noch die Anlieferung koordinieren. Zugreisende oder Flugreisende werden sicherlich auf diese Variante angewiesen sein.

Diese Variante hat noch einen weiteren Vorteil: falls man mal etwas vergessen haben sollte, so kann man sich solche Dinge auch noch nachsenden lassen. Und genau das ist die Herausforderung bei der nächsten Voraussetzung:

Urlaub mit Auto und guter Logistik

Wenn man mit dem Auto in den Urlaub fährt, so kann man alles einpacken und ist nicht auf irgendwelche Nachlieferungen angewiesen. Das ist die Variante, die wir praktizieren. Da ich mir ja auch zuhause all meine Hilfsmittel, Infusionsbeutel etc. selber organisieren und bestelle, habe ich mittlerweile ein recht gutes System, über das ich sicherstelle, dass ich im Urlaub alles Notwendige dabei habe. Denn nichts ist ärgerlicher, als sich im Urlaub, weit ab von Versorgungsstrukturen, um spezielle Medikamente oder Hilfsmittel kümmern zu müssen. Das kann sehr aufwändig sein und kostet auf alle Fälle viel der wertvollen Urlaubszeit, die eigentlich zum Erholen geplant ist. Die Infusionsbeutel befinden sich während der Fahrt im Kofferraum ganz unten (einigermaßen thermisch geschützt) und die leichten Hilfsmittel und Medikamente befinden sich in der Dachbox. So verbleibt noch etwas Platz für die „restlichen“ Urlaubsutensilien.

Die Fahrt in den Urlaub

Die Fahrt in den Urlaubsort kann für Patienten mit Kurzdarmsyndrom beliebig kompliziert werden und stellt vielleicht die höchste Hürde für den Urlaub dar. Denn da sind diese vielen und zum Teil auch sehr spontanen Stuhlgänge, die eine Fahrt in den Urlaub, egal ob mit Auto, Zug oder Flugzeug zur Zitterpartie werden lassen. Hier kann zwar ich keine Zaubertricks und -kniffe vorstellen, aber ich habe ein paar Tipps, die die Fahrt evtl. etwas entspannter werden lassen:

  • So trinke ich direkt vor und auch während der Fahrt recht wenig. Das ist sicherlich aus medizinischer Sicht nicht optimal, aber es verhindert, dass mein Darminhalt unnötig verflüssigt wird, und ich dadurch weniger Stopps einlegen muss.
    Man sollte dann allerdings daran denken, bei Ankunft am Zielort ordentlich zu trinken oder sich vielleicht sogar eine Portion Kochsalzlösung intravenös zu verabreichen.
  • Zwei, drei Tage vor der Abfahrt achte ich darauf, dass ich nichts mehr esse, was mir nicht bekommt. So vermeide ich speziell in diesen Tagen fettreiche Kost, Getränke mit Kohlensäure, … und esse auch nichts, bei dem ich nicht genau weiß, was drin ist. So vermeide ich unnötige Blähungen, die den Darmdurchgang ebenfalls beschleunigen.
  • Des Weiteren achte ich ganz genau darauf, dass ich meine Medikamente, speziell die, die Darmpassage bremsen, auch überpünktlich nehme und während der Fahrt jederzeit im Zugriff habe.
  • Und natürlich nicht zu vergessen: Ausreichend Essen mitzunehmen, um zwischendurch immer wieder eine kleine Mahlzeit zu sich nehmen zu können. So habe ich im Handschuhfach z.B. immer ein paar Müsli- oder Protein-Riegel griffbereit.

Und wenn es dann doch mal sein muss, so habe ich ausreichend Hygieneartikel dabei, um vor den Toilettengängen möglichst alles sauber und steril zu machen.

Unterbringung

Wohin es in den Urlaub geht, wird jeder am Besten wissen. Aber „wie“ man im jeweiligen Urlaubsort unter kommt, das spielt schon eine Rolle.

Hotel

Das Hotel hat ein paar Nachteile, die es sicherlich als dauerhafte Unterkunft recht unattraktiv machen. Da man als Kurzdarmpatient meist sein eigenes Essen zubereitet, um ungeeignete Lebensmittel zu vermeiden, wird man in Hotels meistens die Kochzeile vermissen. Andererseits hat man zwar in Hotels oft auch die Möglichkeit, im Restaurant essen zu gehen. Allerdings finde ich es immer recht kompliziert etwas auf der Speisenkarte zu finden, was ich vertrage und bei dem ich die Kellner*in und die Küche nicht mit einer langen Liste von Ausschlusskriterien verärgere.

Des Weiteren hat man im Hotelzimmer meist nur wenig Platz, so dass es schwierig ist, seine Infusions-Utensilien unterzubringen und noch einen Platz zu finden, an dem man seine parenterale Ernährung steril an- und abstöpseln kann.

Appartement oder Ferienhaus

Ein Appartement oder Ferienhaus ist da sehr viel eher geeignet. Denn dort hat man meist eine eigene Küche, in der man seine maßgeschneiderten Gerichte zubereiten kann. Meist ist dort auch sehr viel mehr Platz vorhanden, den man zur Unterbringung seiner Infusionen und Hilfsmittel nutzen kann und auf dem man sich mit seinem sterilen An- und Abdaddel-Platz breit machen kann.

Wohnmobil

Das Wohnmobil ist je nach Größe eine mehr oder weniger gut geeignete Unterbringung. Wenn es groß genug ist, hat man sicherlich auch den Platz um seine Infusions-Utensilien unterzubringen. Auch die notwendigen Kochmöglichkeiten sind meist vorhanden.
… und das Größte ist: Falls das Wohnmobil auch eine Toilette an Bord hat, so hat man auch kaum noch Probleme mit spontanen Stuhlgängen. Dann muss der Fahrer nur noch möglichst schnell einen Standort finden, an dem er eine Weile stehen bleiben kann.