KDS – Die Fakten

Was ist das „Kurzdarmsyndrom“, was sind die Ursachen und was kann man dagegen machen. Auf dieser Seite möchte ich die mir bekannten Fakten zum Kurzdarmsyndrom wiedergeben. Diese Fakten sind zum Teil Vorträgen von Medizinern zum Thema KDS entnommen und sind zum Teil von mir im Internet recherchiert.

Wer sich intensiver mit dem Krankheitsbild beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Broschüre von der Uniklinik Rostock (zu finden auf der Seite „Weiterführende Links„).

Das Kurzdarmsyndrom

Ein Kurzdarmsyndrom entsteht, wenn so viel Darm entfernt wurde oder die Funktion des Darmes so nachhaltig geschädigt ist, dass die Aufnahme (Resorption) von Nährstoffen kritisch vermindert ist und besondere Maßnahmen notwendig werden, um Mangelerscheinungen und einen raschen Gewichtsverlust zu verhindern (Zitat aus der Rostocker Kurzdarmbroschüre).

Die Definition von „Kurzdarmsyndrom“

Wann man von einem Kurzdarmsyndrom spricht, ist scheinbar nicht eindeutig definiert: Man findet Informationen, dass ab 2m Restdünndarm ein Kurzdarmsyndrom vorliegt. In anderen Quellen findet man die Definition von einem „organischen Kurzdarmsyndrom“, wenn der Dünndarm kürzer als 200cm ist (normale Länge beträgt ca. 5 Meter). Eine Restlänge von 100cm – 150cm wird dann als „kritisch“ bezeichnet. Ist der Dünndarm kürzer als 100cm (wie bei mir), spricht man von einem „Kurzdarmsyndrom“. Bei einer solchen Restlänge ist davon auszugehen, dass eine Unterstützung durch parenterale Ernährung (PE) notwendig ist. Die Prognose, ob man dauerhaft auf PE angewiesen ist, ist dabei jedoch wiederum abhängig von der verbliebenen Anatomie.
Es sieht so aus, als gäbe es keine klare Definition des „Kurzdarmsyndroms“.

Das Aufnahmevermögen (Resorption) durch den verbliebenen Darms ist stark eingeschränkt (Malabsorption), so dass weniger Nährstoffe, Elektrolyte und Wasser aufgenommen werden können. Insbesondere Fette werden schlecht resorbiert. Die Resorption von Vitaminen ist ebenfalls stark eingeschränkt. Somit muss der KDS-Patient über z.B. parenterale Ernährung mit den fehlenden Nährstoffen, Elektrolyten und Wasser versorgt werden, denn ansonsten besteht die Gefahr einer Mangelerkrankung und Gewichtsverlust.

Häufigkeit

Das Kurzdarmsyndrom gehört mit einer Häufigkeit von ca. 1-2 Fällen pro 100.000 Personen zu den seltenen Erkrankungen. Dadurch, dass KDS (zum Glück) so selten vorkommt, gibt es aber auch nur sehr wenige Mediziner und Krankenhäuser, die sich auf dieses recht komplexe Krankheitsbild spezialisiert haben und auch behandeln können. Die Folge ist, dass man in den meisten Krankenhäuser nicht weiß, wie man KDS Patienten richtig versorgt und vor allem einer soliden Weiterversorgung nach der Entlassung zuführt. Dieser Missstand war übrigens die Motivation für diese Website.

Ursachen des Kurzdarmsyndroms

Das Kurzdarmsyndrom ist meist Folge einer ausgedehnten chirurgischen Entfernung (Resektion) des Darms, zum Beispiel bei:

  • Chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa
  • Unfällen oder Verletzungen mit Darmschädigung
  • Verschlingungen des Darms
  • Darmverschluss
  • Gefäßverschlüssen des Darms
  • Krebserkrankungen des Darms
  • Bestrahlung des Darms
  • Angeborene Fehlbildungen
  • ….

Jeder der Darmabschnitte hat eine andere Aufgabe bei der Verdauung und Nährstoffaufnahme. Daher sind die Beschwerden nach der OP stark abhängig von:

  • der Länge und Lage des entfernten Dünndarmteils
  • dem Vorhandensein oder Nicht-Mehr-Vorhandensein der Ileozökalklappe (Rückflussschutz und Bakterienbarriere)
  • Funktionsfähigkeit des verbleibenden Dünndarms und der übrigen Verdauungsorgane (Magen, Pankreas, Leber)
  • dem Vorhandensein des Dickdarms
  • Anpassungsvorgängen des verbleibenden Restdarms

Da bei jedem KDS-Patienten unterschiedliche Teile des Darms entfernt wurden, können die dadurch entstandenen Auswirkungen von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein. Neben der Restlänge des Darms ist ein besserer Verlauf zu erwarten, wenn die Ileozökalklappe und/oder der Dickdarm erhalten sind.

Die Auswirkungen

Die Auswirkungen des Kurzdarmsyndroms sind vielfältig:

  • Gewichtsreduktion
  • Unterversorgung mit Vitaminen, sowie Kalzium, Eisen, Eiweiß und Spurenelementen
  • Massenstühle (mehr als 300g)
  • Übelriechende Fettstühle
  • Blähungen (Flatulenzen)
  • Muskelschwäche
  • Blutarmut (Anämie)
  • Haut- und Schleimhautveränderungen

Für weitere Auswirkungen und Komplikationen siehe Abschnitt „Komplikationen“ weiter unten.

Verlauf des Kurzdarmsyndroms

Typischerweise kommt es beim Kurzdarmsyndrom nach der OP zu einem dreiphasigen Verlauf mit Hypersekretions-, Adaptations– und Stabilisierungsphase.

Hypersekretionsphase

In der Hypersekretionsphase, den ersten Wochen nach den Darm-OPs, kommt es zu schweren Durchfällen (Diarrhö) mit massivem Flüssigkeits- und Elektrolytverlust. Dadurch kann es zur Dehydration bis zum Nierenversagen kommen. Des Weiteren gibt es eine Überproduktion von Magensäure und es kommt zu verstärkter Fettausscheidung (Fettstuhl).
In dieser Phase ist es unbedingt notwendig, den Patienten mit parenteraler Ernährung und Flüssigkeit zu versorgen, die Magensäure zu reduzieren. Allerdings ist es bereits auch schon in dieser Phase wichtig, also frühzeitig mit einer oralen Nährstoffzufuhr zu beginnen, um die Adaption des Restdarms anzuregen (auch als Zottentraining bezeichnet).

Adaptionsphase

In der Adaptionsphase reduziert sich der Flüssigkeitsverlust deutlich. Diese Phase dauert maximal 12 Monate. In dieser Phase übernehmen die noch verbliebene Abschnitte des Dünndarms durch Regeneration die Resorptionsfähigkeit von den entfernten Abschnitten, jedenfalls zu Teilen.

Stabilisierungsphase

In der Stabilisierungsphase gibt es einen deutlichen Rückgang der Durchfälle und der Fettstühle. Die größtmögliche Resorptionsfähigkeit ist erreicht.

Behandlung des Kurzdarmsyndroms

Je nach verbliebenen Darmabschnitten und -längen kann man ein Kurzdarmsyndrom nicht heilen, aber die Auswirkungen mindern. Die folgende Liste zeigt die notwendigen Maßnahmen und Behandlungen, ist aber sicherlich nicht vollständig:

  • Parenterale Ernährung mittels permanenten zentralvenösen Katheter um Gewichtsverluste auszugleichen.
  • Flüssigkeitssubstitution über selbigen Katheter.
  • Da es bei KDS meist zur ausgeprägten Mangelernährung kommt, ist es unbedingt wichtig, die Laborwerte von Blut und Urin regelmäßig zu kontrollieren und Defizite zeitnah auszugleichen! Zu Beginn sollten diese Laborwerte in kürzeren Intervallen kontrolliert werden. Später, im stabilen Zustand, können diese Intervalle verlängert werden.
  • Häufige (6 – 9) kleine Mahlzeiten.
  • Um die Verweildauer des Speisebreis im Restdarm zu verlängern, sollte man während oder direkt nach den Mahlzeiten NICHT trinken.
  • Bei einem Überschuss an Magensäure wird diese mit entsprechenden Hemmern behandelt. Die führt auch zur Verbesserung bei den Durchfällen.
  • Bei starken Fettstühlen, kann kohlenhydratreiche Kost helfen und die Verwendung von MCT-Fetten.
  • Gegen Entstehung von Gallen- und Nierensteinen sind Cholestyramin (Anionenaustauscher) und die Gabe von Kalzium wirksam.
  • Jährliche Knochendichtemessung
  • … und so weiter.

Die Behandlung von KDS-Patienten ist sehr komplex, da in der Folge dieser langjährigen Erkrankung auch weitere Organe in Mitleidenschaft gezogen werden können.
Viele weitere Tipps zur Behandlungen, Medikamentierungen und Ernährung finden Sie auf dieser Website in den Rubriken Essen & Trinken und Medikamente und vor allem in den Ratgebern der Spezialisten.

Darmtransplantation

Eine vielleicht naheliegende Lösung beim Kurzdarmsyndrom wäre ja eine Transplantation von Dünndarm. Man kann dazu sogar lesen, dass sich „die Dünndarmtransplantation in den letzten 20 Jahren bei der Versorgung von KDS-Patienten etabliert habe„.
Was man dabei allerdings auch wissen sollte: Die Einjahresüberlebensrate sowohl für das transplantierte Organ, als auch für den Patienten liegt, je nachdem wen man fragt, zwischen 50% und 80%! Das bedeutet im schlimmsten Fall, dass jeder 2. oder im besten Fall, jeder 5. Patient ein Jahr nach der Transplantation nicht mehr lebt.
Ganz ehrlich: Dieses Risiko würde ich niemals eingehen, solange ich noch irgendwie die Möglichkeit habe, ohne eine Dünndarmtransplantation weiter zu leben.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht und in den verfügbaren Jahresberichten von Eurotransplant nachgeschaut, wie oft Darm transplantiert wird. Eurotransplant ist eine Vermittlungsstelle für Organspenden in acht europäischen Staaten (Benelux-Länder, Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn) mit zusammen 140 Mio Einwohnern. Das Ergebnis (siehe Diagramm unten) zeigt recht deutlich, dass die Anzahl der jährlichen Darmtransplantationen im Verlaufe der letzten Jahre eher abnimmt als zunimmt. So wurde in 2019 nur 2x eine Darmtransplantation durchgeführt! Da kann man meiner Meinung nach nicht von einem „etablierten Verfahren“ sprechen.

Anzahl durchgeführter Darmtransplantationen

Multivisceraltransplantation

Eine Dünndarmtransplantation kann jedoch dann nahe liegen, wenn durch Komplikationen z.B. durch langjährige parenterale Ernährung oder Infekte auch andere Organe durch das Kurzdarmsyndrom betroffen sind. Dann kann eine sogenannte Multivisceraltransplantation evtl. noch helfen. Dabei handelt es sich um eine kombinierte Transplantation von Leber, Dünndarm, Niere und Pankreas (siehe hellblaue Balken im Diagramm).

Manch ein Chirurg weist auch auf eine mögliche „Verlängerung“ des Darms hin. Hierbei wird der Darm in einer OP in einem Zick-Zack-Muster eingeschnitten und entsprechend zugenäht. Dies verlängert den Darm tatsächlich, allerdings vergrößert sich die Darmoberfläche mit den, für die Resorption, relevanten Darmzotten überhaupt nicht! Daher ist es fraglich, was ein solcher Eingriff effektiv bringt.

Komplikationen beim Kurzdarmsyndrom

Neben dem Ausmaß der Malabsorption (reduzierte Aufnahme von Nahrungsbestandteilen durch den Restdarm) stellen die Komplikationen z.B. der parenteralen Ernährung (Infektionen, Thrombosen, …) die prognoselimitierenden Faktoren des Kurzdarmsyndroms dar.

  • Gesteigerte Ausschüttung (Hypersekretion) von Magensäure, da die sonst im oberen Teil des Dünndarms (Jejunum) gebildeten Hormone zur Hemmung der Magensäurebildung fehlen. Dadurch kommt es zur Verstärkung von Durchfällen und Fettstühlen, aber auch Magengeschwüren können entstehen.
  • Es kann zu einer Lactose-Unverträglichkeiten durch Wegfall des Enzyms Lactase kommen. Lactase wird normaler Weise im Jejunum gebildet. Die Lactose wird dann von Darmbakterien abgebaut, was zu einer Übersäuerung des Blutes und verstärkt Durchfällen führt. In Folge kann es zu Verwirrtheit, Gedächtnisverlust, Gangunsicherheit, Sehstörungen etc. kommen.
  • Durch Abnahme der Gallensäurenkonzentration kann es zu Gallensteinbildung kommen, denn es kann nur weniger Gallensäuren rückresorbiert werden. Normaler Weise halten die Gallensäuren Cholesterin in Lösung. Bei abnehmender Konzentration der Gallensäuren kann es zu zu Ausfällungen von Cholesterinsteinen kommen.
  • Ein solcher Gallensäurenverlust kann zu Nierensteinen führen (was ich leider schmerzhaft bestätigen kann). Normaler Weise ist das Oxalat unserer Nahrung im Darm an Kalzium gebunden und wird somit wasserunlöslich und mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei uns KDS-lern kann sich Kalzium an die überschüssigen, nicht vom Dünndarm aufgenommene Fettsäuren binden. Dadurch kommt es zu mehr freiem Oxalat. Das wird vom Dickdarm aufgenommen, führt im Urin zu mehr Oxalsäure was wiederum Nierensteine zur Folge haben kann.
  • Eine Fettleber kann Folge von zu schneller Infusion der parenteralen Ernährung sein. Wird dem Körper zu schnell zu viel Glukose zugeführt, wird diese als Fett in der Leber gespeichert, was zu Leberfunktionsstörungen führen kann.
  • Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms
  • Osteoporose (Knochenschwund)
  • Komplikationen durch Katheter-Infektionen.

Leider nicht vollständig

Dies sind die bekannteren Komplikationen, die einfach zu recherchieren waren. Leider wird die Liste der Komplikationen in Wahrheit sicherlich deutlich länger sein, als das was ich hier aufgelistet habe. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.